Nicht ohne Abwechslung - Von den Irrwegen eines Mobiltelefons
Der Grund des nicht allzu gewöhnlichen Frohsinns liegt nur wenige Wochen zurück. Am 15. Juli 2019 waren Tiffany und Darren bereits wohlbehalten in ihre Heimat, das beschauliche Brentwood im US-Bundesstaat Tennessee, zurückgekehrt. Das Ehepaar hatte zuvor das ferne Deutschland bereist und war dabei nicht umhin gekommen, dem geographischen Herzen Sachsens einen Besuch abzustatten. In Dresden, der Hauptstadt des mitteldeutschen Freistaates, laden bekanntermaßen diverse Motive zu dem einen oder anderen denkwürdigen Schnappschuss ein. Nicht zuletzt deshalb war das Smartphone Darrens wohl sein ständiger Begleiter, während er die Straßenzüge und Gassen am Rande des Elbufers erkundete.
Als er nach dem interkontinentalen Rückflug, die Bundesrepublik hinter sich lassend, wieder amerikanischen Boden betrat, steckte das Handy indes weder in Darrens Tasche, noch war es an anderer Stelle im Gepäck des Ehepaares verstaut. Inmitten Dresdens verloren, war es verschwunden.
Unterdessen hatte Polizeihauptmeister Sebastian Mücke einen ganz gewöhnlichen Morgen verlebt, als er am Vormittag des 15. Juli in das Wartezimmer des Polizeireviers Bautzen trat. Ein Mann mittleren Alters, ein schwarzes Mobiltelefon in Händen haltend, erwartete ihn bereits. Darrens Handy, das der 59-Jährige gut eine Woche zuvor in Dresden gefunden hatte, hatte seine innerdeutsche Reise offenkundig ohne seinen Inhaber fortgesetzt.
Die anschließenden Versuche, den Eigentümer des mobilen Endgeräts ausfindig zu machen, blieben nicht lang erfolglos. Mit fachkundigen Kniffen entlockte der Polizeibeamte dem Handy sowohl ein Foto als auch den vollständigen Namen Darrens, hinterlegt im sogenannten Notfallpass des vor unerlaubten Zugriffen geschützten Smartphones. Ein allseits bekanntes soziales Netzwerk tat sein Übriges. Nachdem er verschiedenen Familienmitgliedern des Paars geschrieben und von den Umständen berichtet hatte, flatterte das elektronische Antwortschreiben Tiffanys wenige Tage später in das Postfach des Polizeibeamten. Hocherfreut bat sie darum, das Handy in die Vereinigten Staaten zu senden.
Die nun beginnende Suche nach einem Versandunternehmen, das bereitwillig für den Transport sorgen sollte, glich zeitweilig wohl eher einer Odyssee als einer vergnüglichen Recherche. Der als Gefahrengut angesehene Akku des Mobiltelefons bereitete nicht wenigen Paketdiensten Kopfzerbrechen.
Schließlich trat das Smartphone einige Tage später, in Packpapier gehüllt und festgezurrt, die Heimreise über den Atlantik an, dem weiten Westen entgegen. Ein Versanddienstleister hatte sich des kleinen Lithium-Ionen-Speichers erbarmt und das Paket auf den Weg gebracht, nachdem der Polizist ein erforderliches Sicherheits-Label aufgestöbert und mitsamt dem Telefon aufgegeben hatte.
Mehrere Wochen darauf, am 13. September, landete ein blau gestempelter Briefumschlag auf dem Schreibtisch Sebastian Mückes. Das Wappen des Police Departments Brentwood prangte jedoch nicht nur auf der weißen Hülle des offiziellen Schreibens. Als er den Umschlag geöffnet hatte, glitt ein buntbestickter Flicken zwischen den papierenen Seiten hervor. Der Polizeihauptmeister hatte dem Päckchen drei entsprechende Abzeichen des Freistaates Sachsen beigelegt und Darren und Tiffany gebeten, sie verschiedenen Polizeidienststellen zu überreichen. Die offiziellen Patches dienen grundsätzlich zwar als Zeichen der Legitimation, sind unter Polizisten aber vor allem als Tauschmittel beliebt. Der Brief drückte derweil vor allem die Anerkennung des städtischen Polizeidepartments für die internationalen Bemühungen aus. Keiner, der mit dem Resultat des Austauschs unzufrieden war.
Darren und Tiffany lachen in das Licht des aufblitzenden Fotoapparates. Das Bild des dankbaren Paares, das Sebastian Mücke noch im Juli erreicht, sagt vermutlich mehr als tausend Worte. Das Smartphone hat nach einem hindernisreichen Ausflug seinen Weg unversehrt zurück in die Hände der Beiden gefunden. Die Reise, die ohne Absicht länger währte als geahnt, wird ihnen vermutlich noch lange im Gedächtnis bleiben.